|
Monatsspruch
Meine Stärke und
mein Lied ist der HERR,
er ist für mich zum
Retter geworden.
Exodus 15,2 (E) |
|
Gedanken zum Monatsspruch
Ein großartiges Bibelwort aus einem großartigen biblischen Buch: dem
Buch "Exodus" (wörtl. "Der Ausweg" - in lutherischer Zählung das 2.
Buch Mose).
Auf den zweiten Blick allerdings stört da der Zusammenhang: Der
Monatsspruch stammt nämlich aus dem Siegeslied des Mose, welches
dieser im Angesicht der gerade in den Fluten des Schilfmeeres
ertrinkenden Soldaten der ägyptischen Armee anstimmt: "Ich will dem
HERRN singen, denn er hat eine herrliche Tat getan: Ross und Mann
hat er ins Meer gestürzt... Der HERR ist der rechte Kriegsmann...
Des Pharao Wagen und seine auserwählten Krieger versanken im
Schilfmeer. Die Tiefe hat sie bedeckt, sie sanken auf den Grund wie
die Steine." Schadenfreude? Vielleicht! Eher aber wohl die Freude
über die unverhoffte Rettung.
Denn im Rückblick musste die geglückte Flucht eines ganzen Volkes
aus der ägyptischen Sklaverei wie ein Wunder erscheinen. Gott der
HERR war es - so singt Mose - der diese herrliche Tat getan hat. ER
ist es, dem das Volk seine frisch gewonnene Freiheit zu verdanken
hat.
Das bei dieser Rettungsaktion die Feinde des Gottvolkes zu Schaden
kamen - ja ihr Leben lassen mussten - das nahmen die Geretteten
billigend in Kauf.
In der Geschichte der Kirche ist daraufhin bisweilen von nicht
wenigen Theologen geschlussfolgert worden, dass es Gottes Art und
Wille sei, sein Volk zu schützen und dessen Feinde zu vernichten.
Andere wiederum behaupten, der Gott des Volkes Israel sei ein Gott
der Rache und des grausamen Gerichtes. Dagegen sei der Gott, den
Jesus verkündet und seinen Vater nennt, ein ganz anderer; er sei der
Gott der Liebe und der Barmherzigkeit, ein Gott der Gnade und des
Friedens. Aufgrund solcher "Erkenntnisse" glaubte man gar einen
Zwiespalt zwischen den beiden biblischen Testamenten feststellen zu
können. Man sprach vom "alttestamentlichen" Gott, der nach dem Motto
handle "Auge um Auge, Zahn um Zahn".
Dagegen habe der "neutestamentliche" Gott sein zuerst erwähltes Volk
verworfen und einen Bund mit anderen Leuten (natürlich "mit uns" -
so stand es sogar auf den Gürtelschnallen der Soldaten) geschlossen.
Die rabbinische Theologie und seit einiger Zeit auch die neue
christliche Theologie versuchte dagegen, die alten Texte in ihrem
geschichtlichen Zusammenhang zu verstehen. Natürlich freuten sich
die geretteten Israeliten über ihre Befreiung aus der Sklaverei.
Dass dabei feindliche Soldaten ums Leben kamen, werden sie kaum
betrauert haben.
Gott der HERR aber will nicht den Tod des Gottlosen, sondern dass er
umkehre und das rechte tue (Hes 18,23). Gott der HERR ist ein Gott
der Liebe und der Barmherzigkeit - und zwar auch schon im "Alten"
Testament (Lev 19,18: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich
selbst; ich bin der HERR"). In einer rabbinischen Legende wird
erzählt: Gott freue sich nicht über das Lied des Mose, denn er
trauerte um seine toten Söhne aus Ägypten.
Sieghard Löser
|